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Günther Beitzke doctoris honoris causa

23.5.2001
 
Günther Beitzke erblickte am 26. April 1909 als Sohn des Pathologen Hermann Beitzke und seiner Ehefrau lrma (geb Krönig) in Freiburg im Breisgau als Deutscher iure sanguinis das Licht der Welt. Der Geburtsort im ehemaligen Vorderösterreich weist - allerdings nicht iure soli - auf sein späteres staatsbürgerliches Schicksal hin auch österreichischer Staatsangehöriger zu werden. Doch das war schon damals nicht der einzige Österreichbezug: Eine der Großmütter (geboren in Wagram bei Leobersdorf als Tochter eines aus Ostpreußen stammenden Bauingenieurs) entstammt der Familie Brausewetter die an dem seinerzeit sehr bekannten österreichischen Bauunternehmen (Eisenbahn- und Straßenbau) Pittel und Brausewetter - das heute noch besteht - maßgebend beteiligt war. Die Österreichbezüge verstärkten sich in der Folge noch. Vater Hermann nahm einen an ihn ergangenen Ruf nach Graz 1922 an, wo er das medizinische Dekans- als auch das Rektorsamt bekleidete. Mit den Eltern erwarb Günther Beitzke 1922 die österreichische zur deutschen Staatsangehörigkeit hinzu.   Der Autor

Er ist heute noch Doppelstaater und stolz auf den österreichischen Paß. Schon in jungen Jahren öffnete sich der Blick des heute besonders zu Ehrenden über die engen Grenzen seines ursprünglichen Heimatlandes hinaus. Den ersten beiden Lebensjahren in Berlin - Vater Hermann war an der Charité beruflich engagiert - folgte ein mehrjähriger Aufenthalt in Lausanne, wo der Vater 1911 bis 1919 als Professor tätig war. Einem etwa dreijährigen Aufenthalt in Düsseldorf (1919 bis 1922) folgte ein fünfjähriger in Graz, an dessen Akademischem Gymnasium Günther Beitzke die Matura ablegte; aus dieser Zeit resultierte die lebenslange Freundschaft zu drei sehr bekannten Juristen, dem älteren Max Kaser und den Klassenkollegen Hans Bratusch-Marrain und Franz Pallin.
 
Die Jahre des Studiums dann doch im Deutschen Reich in Berlin, München und Kiel führten zum Referendarexamen 1931 in Kiel und zur Promotion ebendort 1933 bei Walter Schücking mit der Arbeit 'Die Rechtsstellung der Bank für internationalen Zahlungsausgleich' einem auch heute noch aktuellen Thema. Den Abschluß dieser Studien- und Ausbildungsphase bedeutete das 1935 bestandene Assessorexamen.
 
Die Berufslaufbahn begann mit einigen Richtermonaten in Schleswig-Holstein, gefolgt ab 1936 von der Assistentenzeit bei Otto Eger in Gießen, die schon 1937 auf Grund von 33juristische Personen im lnternationalprivatrecht und Fremdenrecht" (erschienen Berlin 1938) zur Habilitation unter Betreuung des unvergessenen Zivil- und Arbeitsrechtlers Rolf Dietz und 1938 zur venia legendi führte.
 
Das Studienjahr 1938/39 sieht Günther Beitzke als Lehrstuhlvertreter in Leipzig. Der 1939 über Bemühen von Günther Haupt zum Extraordinarius in Jena Ernannte hatte immer Rückgrat bewiesen und aufrechten Gang gepflogen. Das Ansinnen des Jenaer Rektors im Frühjahr 1941, als Gegenleistung für den Austritt aus der Kirche die Ernennung zum Ordinarius zu erhalten, erwirkte nicht die Annahme sondern die verdiente Abfuhr. Dies hatte zwar das Einziehen zur Artillerie und dreimalige Verwundung, zum andern aber auch 1942 die Berufung auf ein Ordinariat in Göttingen zur Folge, deren Annahme erst nach einem Fronturlaub im Februar 1943 erfolgte, offenbar als der Lokalaugenschein ausreichende und befriedigende Arbeitsmöglichkeiten ergeben hatte. Der Dienstantritt war freilich - durch die Zeitumstände bedingt - nicht vor dem August 1945 möglich.
      Er folgte in einer Fakultät glanzvoller Namen. Es lehrten damals in Göttingen Smend, Welzel, Julius von Gierke und Herbert Krauss, Felgentraeger und Wieacker, Köttgen und Flume, Werner Weber. Günther Beitzke bewährte sich so, dass ihn die Schar ausgeprägtester Individualisten, aus der die Fakultät bestand, 1953/54 ins Dekansamt rief. In Göttingen machte er seinem nach Heidelberg berufenen berühmten Vorgänger Eduard Wahl alle Ehre.
      Rufe nach München 1954 - auf einen prozessrechtlichen Lehrstuhl! - und Tübingen 1958 verfielen der Ablehnung, der 1958 nach Bonn fand - Dank drängender Bitten der inzwischen Bonner Professoren Flume und Welzel - Gnade und Annahme. Ab dem Sommersemester 1959 finden wir Günther Beitzke an der Bonner Fakultät, der er über die Emeritierung hinaus treu blieb: Noch heute verfügt er an dieser über ein Arbeitszimmer. Späteren Bonner Juristengenerationen wird Günther Beitzke als 'Urheber' des Instituts für Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung in Erinnerung bleiben.
 
Sein stets vorbildlich ausgeübter Beruf hat unseren Doktoranden nicht davon abgehalten, über seine Pflichten hinaus seine Fähigkeiten dem öffentlichen Interesse zur Verfügung zu stellen: 27 Jahre ab 1955 in der Sachverständigenkommission des Internationalen Arbeitsamtes in Genf (ILO), welcher Tätigkeit er offenbar seiner Unbeugsamkeit und Unbestechlichkeit wegen 1982 enthoben wurde; seit der Gründung 1952 im Deutschen Rat für Internationales Privatrecht vertreten, ab 1976nach Lauterbach's Tod als Kommissionsvorsitzender, 1956 bis 1966 als Vorstand des Instituts für Vormundschaftswesen in Heidelberg, als Regierungsvertreter in den Sessionen 1966, 1968 und 1976 der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht, 1968 bis 1972 in der Eherechtskommission des Bundesministers der Justiz, in Kommissionen zur Vorbereitung des Nichtehelichengesetzes 1969, wiederholt als Sachverständiger in Bundestagsausschüssen, als Vortragender an der Haager Akademie für Internationales Recht 1965 und 1980.
      Die Wahl zum korrespondierenden Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften im Auslande hat er nicht nur als Ehre sondern auch als Verpflichtung gesehen und häufig an Sitzungen und Festveranstaltungen aktiv teilgenommen. In der Vereinigung der deutschen Zivilrechtslehrer erhob er immer seine Stimme gegen ihm zweifelhafte gesetzgeberische Pläne - und musste nach deren Verwirklichen viele seiner Befürchtungen praktisch bestätigt sehen.
 
1954 berief die Evangelische Kirche Deutschlands Günther Beitzke in ihre Familienrechtskommission. Wenige Jahre später hatte er in dieser Eigenschaft Gelegenheit, in der Bonner Fakultät seinem katholischen Kollegen Friedrich Wilhelm Bosch eine von der Versuchung des Eiferns freie Position entgegenzusetzen.
 
Das wissenschaftliche Oeuvre Günther Beitzke's ist ebenso umfangreich wie grenzenlos. 12 selbständige Schriften, mehr als ein Dutzend Beiträge zu Kommentaren und Sammelwerken, rund 40 Festschriftbeiträge, mehr als 300 veröffentlichte Vorträge, Aufsätze und Entscheidungsrezensionen sowie rund hundert Buchrezensionen bezeugen die schier übermenschliche Leistungskraft und das stets wache Interesse ihres Autors. Noch mehr besticht die Weite des beackerten Feldes; sie reicht vom intensivst beackerten Familienrecht über Arbeits- und Sozialversicherungsrecht, Handels- und Gesellschaftsrecht über internationales, interlokales und interzonales Privatrecht und internationales wie interlokales Zivilverfahrensrecht bis zu internationalem Währungs-, aber auch Enteignungsrecht.
 
In Summe liegt ein universales Werk eines universellen Könners vor.

 
Die gebotene Kürze verbietet es, auch nur auf die wichtigsten Publikationen einzugehen. Dennoch seien das Studienbuch Familienrecht - ein Viertelhundert Auflagen! -, auch noch unter dem Folgebearbeiter Lüderitz schlicht als 'der Beitzke' bezeichnet, 'Nichtigkeit, Auflösung und Umgestaltung von Dauerrechtsverhältnissen' (1948, Neudruck 1969), die Kommentierungen der Art 7 bis 32 EGBGB in drei Auflagen von Achilles/Greiff (1949 bis 1958) und von Art 7 bis 8 EGBGB in der 10./11. Auflage 1981 wie der 12. Auflage 1984 im 'Staudinger' hervorgehoben sowie das Gutachten 'Kollisionsrecht von Gesellschaften und juristischen Personen' für den Deutschen Rat 1972 genannt.
 
Die Wirkungen Beitzke'scher Vorträge und Veröffentlichungen reichte immer weit über die deutschen Grenzen hinaus. Solange Österreich noch das 'deutsche' Eherecht hatte und dieses in der Bundesrepublik Deutschland noch nicht gravierend verändert war, lohnte immer der Blick in 'den Beitzke', der praktisch unmittelbar anwendbar war. In der rechtspolitischen Diskussion Österreichs war das Buch erst recht wertvoll, stellte es doch nicht nur die neuen deutschen Lösungen - nicht ohne gebührende Kritik - dar, sondern auch die wesentlichen Argumente aus den Materialien. Der Blick auf die Ausführungen zum stets lückenhaften Kollisionsrecht bereicherte den Leser immer wieder. Bewundernswert waren die Diskussionsbeiträge: knapp, klar, kritisch und weiterführend, stets druckreif, im Vorfeld von Gesetzesnovellen trat häufig die an sprechenden Beispielen dargelegte Befürchtung unerwünschter Nebenwirkungen hinzu.
      Der Sprecher erinnert sich noch plastisch an solche Ausführungen zur Herabsetzung des Volljährigkeitsalters auf der Zivilrechtslehrertagung in Baden bei Wien und die Warnungen vor der sachlich verfehlten erbrechtlichen Lösung des § 1371 Abs 1 BGB bei mehreren Gelegenheiten. Vor allem in der rechtspolitischen Arbeit in Österreich konnte man Jahrzehnte lang nicht an Günther Beitzke's Aussagen zu Parallelproblemen in der Bundesrepublik vorbeigehen. Ganz offenkundig ist es Juristen anderer Staaten ebenso wie den Österreichern ergangen, sonst wären nicht so viele Veröffentlichungen in Übersetzung nochmals gedruckt worden. Deshalb zählte der Besuch von Vortragsveranstaltungen der Österreichischen Gesellschaft für Rechtsvergleichung, auf denen man deren Mitglied Günther Beitzke regelmäßig treffen konnte - mal war er auf Verwandtenbesuch in Österreich, mal war er eigens des Themas oder des Vortragenden wegen angereist - immer zu wahrem intellektuellen Vergnügen der anderen Teilnehmer.
 
Günther Beitzke betreute im Laufe seiner langen wissenschaftlichen Karriere ein ganzes Heer von Studenten, man ist versucht zu sagen mehr als eine Juristengeneration. Zahlreich ist die aus seinen Studenten hervorgegangene Schar der Dissertanten, aus deren Feder eine erkleckliche Anzahl ausgezeichneter Arbeiten geflossen ist. Wenn Günther Beitzke dennoch nicht schulbildend war, ist das offenbar den hohen Ansprüchen anzulasten, die er so wie an sich an andere stellte. So wurde er nur einem seiner talentierten Schüler Habilitationsvater, da aber gleich einem besonderer Qualität: Otto Sandrock. Nicht nur dieser trägt die Ideen und Leistungen seines Mentors weiter.
      Einige seiner Schülerinnen und Schüler sind heute Fachschul- oder Honorarprofessoren, was die Qualität ihrer Ausbildung beweist. Zahllos sind die Professorenkollegen, deren Denken und Tun durch sein Wirken Beförderung und Befruchtung erfahren hat.
 
Günther Beitzke war und ist stets überlegt und methodisch und konsequent im beruflichen wie privaten Bereich vorgegangen. So ging gründliches Studium des Familienrechts - die erste Auflage des legendär gewordenen Studienbuchs erschien 1947 - der Eheschließung 1948 voraus. Einige Arbeiten zum Internationalen Privatrecht betrafen Doppelstaater, wie er selbst seit der Grazer Zeit einer war; deren Probleme hat er sine ira et studio zu lösen unternommen und sich selbst an die Ergebnisse gehalten.
 
Es heißt, hinter jedem erfolgreichen Mann stehe eine ehrgeizige Frau. Nicht so im Hause Beitzke. Frau Gertrude (geb Oppermann) stand vom Tage der Verehelichung 1948 an in schwerer Zeit bis knapp vor ihrem viel zu frühen Tod dem Hauswesen vor, leitete die Erziehung der beiden 1949 und 1952 geborenen Söhne, heute als Techniker bzw. als Chemiker beruflich erfolgreich, und vermittelte unserem Doktoranden jenen abgeschirmten Bereich, in dem die vielen großartigen Arbeiten entstehen konnten. Wer je im Haus zu Bad Godesberg als Gast weilen oder gar die Bibliothek bewundern durfte, wusste um die Leistung der sich aufopfernden Hausfrau. Auf Vortragsreisen und zu wissenschaftlichen Tagungen war sie ihrem Ehegatten fröhliche und liebenswürdige Begleiterin. Wer Gertrude Beitzke kannte, konnte sie nur bewundernd verehren.
 
Günther Beitzke ist und bleibt Familienmensch. Immer sprach er bei persönlicher Begegnung nicht ohne berechtigten Stolz von den Söhnen mit ihren Familien. Er hielt die familiären Beziehungen zur Witwe seines Bruders, zu den Neffen - der Grazer Professor der Kinderkardiologie ist heute leider durch eine dienstliche Auslandsreise verhindert - und den Nichten aufrecht, verband viele Wien-Besuche mit solchen bei Familienmitgliedern in Österreich - oder umgekehrt. Die sich langsam meldenden Beschwerden des Alters, der Keulenschlag des Todes der geliebten Ehefrau, die Aufgabe des Hauses in Bad Godesberg verbunden mit der Trennung von der ausgezeichneten Privatbibliothek, all dies vermochte den Unternehmensdrang, die Reiselust, die Fröhlichkeit und das Interesse an der Rechtswissenschaft nicht zu beeinträchtigen. Die Aufopferung für die schwer erkrankte Gattin, brüderlich mit seiner Schwester, die ihm in dieser schwierigen Phase Vortragsreisen ermöglichte, geteilt, bewies auch alle Konsequenz in der ehelichen Beistandspflicht.
 
Solch einer Persönlichkeit und deren umfassendem Werk blieben Anerkennung in Ehrungen und Auszeichnungen nicht vorenthalten. Deutschlands Bundespräsident verlieh das große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland, die Akademien zu Wien und Bordeaux beriefen den Doktoranden in den erlauchten Kreis ihrer Mitglieder - hat ihn Göttingen übersehen? - die Österreichische Gesellschaft für Rechtsvergleichung verlieh die Ehrenmitgliedschaft. Die wissenschaftliche Würdigung kam in den wahrgenommenen Einladungen zu Beiträgen in Festschriften für hervorragende Gelehrte, ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien genannt Raape, Julius von Gierke, Smend, Lewald, Nipperdey (2x), Lehmann, Hedemann, Makarov, Hueck, Maury, Dölle (2x), Wilburg (2x), Hallstein, Ficker, Ballerstedt, Luther, Bosch, Kegel, Mann, von Caemmerer, Schwind, Fend, Flume, ferner die Gedächtnisschriften für Franz Gschnitzer und für Rolf Dietz, zum Ausdruck, sowie in der großen Festschrift für Günther Beitzke zu seinem 70. Geburtstag 1979 - diese enthält neben den Beiträgen namhafter Gratulanten auch eine fast vollständige Übersicht über die Publikationen des Geehrten.
 
Als einem der wenigen seiner Generation wurde ihm unter http://guenther.beitzke.de/ von den Söhnen und Freunden eine Website eingerichtet. Die Kopfzeile 'Günther Beitzke, Ikone des Familienrechts' wird ihm freilich nicht gerecht; es fehlen mindestens das internationale Privatrecht und das internationale Arbeitsrecht.
 
Zu den genannten Ehrungen und Auszeichnungen gesellten sich die Ehrendoktorate in Reykjavik 1971 und Bordeaux 1974. Als drittes zum Kleeblatt füge sich heute jenes der Hauptstadt-Universität Ihrer 'zweiten Heimat', wodurch Sie, verehrter Herr Beitzke sich mit Hans Dölle und Helmut Coing in eine Reihe stellen. Die Alma mater Rudolfina möchte durch dessen Verleihung den Ihnen schuldigen Dank für Zuneigung, Hilfe, Anregung und Beispiel abstatten, für Ihren großen Beitrag zur Dogmatik des Familien- und Kollisionsrechts sowie zur familienbezogenen Rechtspolitik. Mit großer Freude empfangen wir Sie im Kreise der Wiener doctores honoris causa, dessen Reputation durch Ihre Mitgliedschaft nur gewinnen kann.   zum Seitenanfang

 
Hans Hoyer


Laudatio für Günther Beitzke, gehalten von o. Universitätsprofessor Dr. Hans Hoyer am 23.5.2001

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eMail © Hans Hoyer · Seite erstellt am: 26.8.2001, letzte Änderung 19:09 18.6.2004, Freitag