von Otto Sandrock - Festschrift erschienen im Walter de Gruyter Verlag.
Grußwort
Ein rundes halbes Hundert von Freunden, Schülern und Kollegen überreichen Günther Beitzke zu seinem 70. Geburtstag am 26. April 1979 diese Festschrift.
Sie wollen damit einen Hochschullehrer, Wissenschaftler und Praktiker ehren, der die Entwicklung des deutschen Zivilrechts in der Mitte dieses Jahrhunderts maßgebend mitgestaltet hat. Sie kommen nicht nur aus der Bundesrepublik Deutschland, sondern auch aus England, Frankreich, Holland, Österreich und der Schweiz und wollen damit zum Ausdruck bringen, daß der Jubilar dauerhafte menschliche und wissenschaftliche Bande zu vielen Nationen Europas geknüpft hat. Einige der Gratulanten sind Freunde, die sein Wirken teils durch die Jahrzehnte menschlich und wissenschaftlich begleitet haben. Einige andere sind Schüler, denen es am Herzen liegt, an diesem Tage ihrem Lehrer ihre Dankbarkeit zu bezeugen. Die meisten sind Kollegen, die seine wissenschaftliche Austrahlungskraft in Schriften, Vorträgen und Diskussionsbeiträgen erlebt haben.
Alle Gratulanten aber verehren in Günther Beitzke vor allem den Menschen, so, wie er ihnen in seinem gastlichen Hause am Stadtwald in Bad Godesberg - nicht fern von der Godesburg, hoch über dem Rheintal - begegnet ist. Dieses Haus war ihm von seiner verehrten Gattin immer zum besten bestellt. Ohne sie ist der Freund, Lehrer und Kollege nicht denkbar.
Otto Sandrock
Biographie von Günther Beitzke
Günther Beitzkes bisheriger Lebenslauf weist nicht nur die Spuren der Erschütterungen auf, die Europa in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts erlebt hat. Günther Beitzke sind auch die Segnungen des Friedens, einer persönlichen Verbundenheit zu mehreren Nationen und eines sich wieder erholenden und emporblühenden Kontinents zuteil geworden. In seine Kindheit, Jugend und in die Zeit seines Wirkens als junger Hochschullehrer fielen die dunklen Jahre Europas. Die längste und fruchtbarste Zeit seines Schaffens als Lehrer, Gelehrter und Praktiker beginnt indessen mit den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg, als Frieden und internationaler Austausch auf dem Kontinent einkehrten, ein unerwarteter wirtschaftlicher Aufschwung einsetzte und sich nicht nur die Rechtswissenschaft ganz allgemein, sondern vor allem das internationale Recht und die Rechtsvergleichung in bis dahin unverhoffter Weise entfalten konnten.
In dieser allgemeinen Hinsicht mögen die ersten sieben Jahrzehnte Günther Beitzkes den Lebensläufen mancher seiner Kollegen gleichen, die derselben Generation angehören. In persönlicher Hinsicht ist Günther Beitzkes bisheriges Leben aber andere, eigene Wege gegangen. Am 26. April 1909 als Sohn von Hermann Beitzke, Professor der Medizin (Pathologie) und seiner Ehefrau Irma, geb. Krönig in Freiburg i. Br. geboren, verbrachte er die ersten beiden Jahre seiner Kindheit in Berlin, wo sein Vater an der Charite' bereits mehrere Jahre tätig war. Die Spuren seiner Kindheit sind freilich bereits von demjenigen gekennzeichnet, was seinem späteren beruflichen Schaffen den Stempel aufgedrückt hat: sie führten ihn durch mehrere Staaten Europas. Die Jahre von 1911 bis 1919 lebte Günther Beitzke in Lausanne, an dessen Universität sein Vater zum Professor ernannt worden war. Nach einem kurzen Zwischenaufenthalt in Düsseldorf (1919 bis 1922) zogen seine Eltern mit ihm nach Graz, wo er im Jahre 1927 die Matura ablegte. Schon 1922 hatte er die österreichische Staatsangehörigkeit zu seiner deutschen, die er weiterhin beibehielt, hinzu erworben.
Es folgten die Jahre des Studiums: Berlin, München und Kiel waren dessen Stationen. 1931, im Alter von 22 Jahren, legte Günther Beitzke in Kiel das Referendar-Examen ab. 1933 wurde er bei Walter Schücking, einem der Richter am Internationalen Gerichtshof im Haag, der eine große Ausstrahlung auf ihn ausübte, in Kiel promoviert. Das (völkerrechtliche) Thema seiner Dissertation: 'Die Rechtsstellung der Bank für internationalen Zahlungsausgleich'. Nachdem 1935, im Alter von 26 Jahren, das Assessor-Examen mit Glanz bestanden war, wirkte Günther Beitzke zunächst einige Monate als Richter im preußischen Justizdienst in Schleswig-Holstein, bis er sich im Jahre 1936 in Gießen zum Assistenten an der juristischen Fakultät ernennen ließ. Dort entstand dann seine Habilitationsschrift über die 'Juristischen Personen im Internationalprivatrecht', aufgrund derer ihm im Jahre 1937 - unter Betreuung von Rolf Dietz - der Grad eines 'Dr. jur. habil.' und anschließend im Jahre 1938 - im Alter von 29 Jahren - die venia legendi verliehen wurde. Die auswärtige Anerkennung seiner akademischen Leistungen ließ nicht lange auf sich warten.
Im Wintersemester 1938/39 und Sommersemester 1939 wirkte Günther Beitzke auf Grund eines Lehrauftrages als Lehrstuhlvertreter an der Universität Leipzig. 1939 folgte seine Ernennung zum Extra-Ordinarius der Universität Jena, bis ihm am 1. April 1943 - im Alter von 34 Jahren - ein Ordinariat an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Georg-August-Universität zu Göttingen übertragen wurde. Die dortige Ernennung erfolgte in seiner Abwesenheit: Günther Beitzke leistete von 1941 bis Kriegsende Militärdienst in Rußland, mit Ausnahme von acht Wochen, die er in Frankreich verbrachte. 1945 Verwundung in Ostpreußen und Transport nach Kopenhagen. Darauf englische Kriegsgefangenschaft. Im August 1945 aus derselben entlassen, nahm er seine Tätigkeit an der Universität Göttingen auf.
Die Jahre in Göttingen (1945 bis 1959) - fast 14 an der Zahl - waren glückliche Jahre: 1948 schloß Günther Beitzke die Ehe mit Gertrude Oppermann. Aus dieser Ehe sind zwei Söhne (1949 und 1952) hervorgegangen, die allerdings den fachlichen Fußstapfen ihres Vaters nicht gefolgt sind: der eine wurde Dipl.-Ing., der andere Dipl.-Chemiker. An die päd agogischen Leistungen Günther Beitzkes, die zunächst in den nicht zerbombten Göttinger Hörsälen der Zoologie, der Mathematik und der Mineralogie angeboten wurden, bis das 'Auditorium Maximum' an der Weender Straße wieder bezogen werden konnte, denken seine damaligen Schüler mit Dankbarkeit zurück. Da es - zumindest in der ersten Zeit nach dem Kriege - noch an Lehrbüchern fehlte, waren die unvergeßlichen Lehrveranstaltungen Günther Beitzkes von der damaligen Kriegsgeneration, die noch in den aus der Gefangenschaft mitgebrachten grünen Rökken im Hörsaal saß, um so mehr begehrt. - In diese Zeit fällt auch das Erscheinen der ersten Auflage seines Lehrbuchs des Familienrechts: in einem dreiviertel Jahr im wesentlichen in den Nachtstunden formuliert, erlebte es seitdem fast von Jahr zu Jahr eine Neuauflage. Von seinem übrigen rechtswissenschaftlichen Wirken aus jener Zeit legt das nachstehend abgedruckte Schrifttumsverzeichnis ein beredtes Zeugnis ab.
Es kam so nicht überraschend, daß Günther Beitzke im Jahre 1954 einen Ruf auf den Lehrstuhl für Prozeßrecht an der Juristischen Fakultät der Universität München ablehnte.
Seine Stunde in Göttingen hatte allerdings geschlagen, als Günther Beitzke 1958 gleichzeitig einen Ruf auf einen Lehrstuhl in Tübingen und Bonn erhielt. Er entschied sich für Bonn, wohin er im April 1959 - im Alter von 50 Jahren - verzog und dem er seither treu geblieben ist.
Das von ihm in Bonn neu eingerichtete 'Institut für Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung' war die Werkstatt, in der nunmehr - neben einer erfolgreichen pädagogischen Tätigkeit - eine weitere Fülle von wissenschaftlichen Werken entstand, die seinen Namen berühmt gemacht haben. Die Themenbereiche dieser Festschrift spiegeln die breite Vielfalt seiner wissenschaftlichen Arbeit wider, die ihren Schwerpunkt im Familienrecht, im Internationalen Privatrecht, im Arbeitsrecht sowie in der Rechtsvergleichung hatte.
Über seinen wissenschaftlichen Werken hat sich Günther Beitzke in dessen der juristischen Praxis nicht verschließen können: Seit 1955 bis auf den heutigen Tag ist er Mitglied der Sachverständigen-Kommission des
Internationalen Arbeitsamtes in Genf für die Anwendung der Verträge und Empfehlungen der Internationalen Arbeits-Organisation, seit 1952 Mitglied und seit 1976 Kommissionsvorsitzender im Deutschen Rat für Internationales Privatrecht. Von 1956 bis 1966 war er Vorstand des 'Deutschen Instituts für Vormundschaftswesen e.V.' in Heidelberg; dem Ständigen Ausschuß dieses Instituts gehörte er über 15 Jahre an. Seit 1956 ist er als Mitglied des Deutschen Zweiges des Internationalen Sozialdienstes in der Fürsorge tätig. Vom Bundesminister der Justiz entsandt, hat er als deutscher Regierungsvertreter an den Haager Konferenzen für Internationales Privatrecht 1966, 1968 und 1976 teilgenommen. Seit 1954 ist er Mitglied der Familienrechtskommission der Evangelischen Kirche Deutschlands. In mehreren Kommissionen, darunter einer des Bundesministers für Justiz, hat er an der Vorbereitung des Nichtehelichengesetzes von 1969 mitgewirkt. In den Jahren von 1968 bis 1972 war er Mitglied der Eherechtskommission des Bundesministers der Justiz.
Nicht zuletzt hat Günther Beitzke eine reiche Vortragstätigkeit entfaltet: ihn erreichten Einladungen hierzu aus vielen Ländern, vor allem Europas. Im Jahre 1965 hat er an der Haager Akademie für Internationales Recht gelehrt. Auch in diesen Tätigkeiten manifestiert sich seine mannigfaltige Zusammenarbeit mit ausländischen Fakultäten und Kollegen. Wie sehr die Leistungen Günther Beitzkes internationale Anerkennung erfahren haben, zeigt schließlich die Tatsache, daß ihm die Universitäten Reykjavik und Bordeaux die Ehrendoktorwürde verliehen haben und daß er zum korrespondierenden Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften gewählt worden ist.
Sieben Jahrzehnte voller Erfüllung.
Sie zu skizzieren, war für den Chronisten ein Genuß.
Otto Sandrock